Mitarbeiterbindung basiert auf Lust
Demografischer Wandel, Überalterung der Belegschaft, Fachkräftemangel, Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen – Gründe zum Klagen gibt es viele. Unterm Strich geht es dabei um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Unbesetzte oder falsch besetzte Stellen können schnell bis zu 50.000,00 Euro oder mehr verschlingen. Um dem drohenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden entgegen zu wirken, ist die Bindung bestehender Kolleginnen und Kollegen natürlich das Mittel der Wahl.
Wie also dafür sorgen, dass Fachkräfte bleiben? Wo es doch die Generationen Y und Z angeblich an Loyalität mangeln lassen. Betriebszugehörigkeiten von bis zu fünf Jahren können manche sich vorstellen, danach wird etwas Neues ausprobiert. Rückkehr übrigens nicht ausgeschlossen! Drehen wir den Spieß um und fragen uns, weshalb Mitarbeiter das Unternehmen überhaupt verlassen. In 15 Jahren Employer Branding und Personalmarketing Beratung sowie Markenkommunikation ist es noch in fast jedem Unternehmen so gewesen, dass es gute Gründe für den aktuellen Job gibt. Ganz oben stehen die Atmosphäre und der Zusammenhalt im Team. Und genauso gibt es Gründe, die für Verdruss sorgen: Führungsverhalten, Intransparenz, mangelhafte Kommunikation und Hürden im Rahmen der Selsbtwirksamkeit. Es sind also Aspekte der Führung und der Art und Weise, wie zusammengearbeitet wird, die als echte Lustkiller im Job fungieren.
Was kann man tun? Ganz einfach: Ehrlich zu sich selbst sein. Allzu oft schielen Unternehmen auf die vermeintlichen Attraktivitätsfaktoren und penetrieren diese im Innen- und vor allem Außenverhältnis. Das Problem liegt aber im Produkt: wenn der Job aufgrund eines schlechten Klimas, einer unzureichenden Führungskultur oder einer gefühlten Orientierungslosigkeit nicht hält, was die Personalwerbung verspricht, dann stirbt die Motivation, Fehlzeiten und Krankheitsfälle nehmen zu, es kann zur Trennung kommen. Aus diesem Grund ist die klassische Erhebung der Arbeitgeberattraktivität, wie sie in Employer Branding Projekten durchgeführt wird, häufig kurzsichtig. Nicht, weil entsprechende Beratungshäuser die blinden Flecken nicht aufdecken. Die werden in entsprechenden Mitarbeiterfokusgruppen ganz automatisch benannt. Es mangelt am Willen, die entsprechenden Missstände zu beseitigen, das Produkt zu verbessern.
Was können wir nun also tun? Das naheliegende: mit den Menschen reden. Und aus den Erkenntnissen Maßnahmen ableiten und umsetzen. Nicht alles auf einmal, sondern eine nach der anderen. Lieber ein abgeschlossenes Projekt für mehr Mitarbeiterzufriedenheit, als drei halbfertige. Dafür können regelmäßige Mitarbeiterbefragungen genutzt werden. Hier reicht die Frage nach den Top 3 Maßnahmen, die sich Mitarbeiter wünschen, um mehr Spaß am Job zu haben. Auch im Rahmen von Fokusgruppen, Zukunftsworkshops, Kaminabenden, Grillfesten – ja, oder auch im Rahmen eines gut aufgegleisten Employer Branding Projektes kann ein Diskurs zur Arbeitskultur stattfinden.
Was hält die Menschen trotz der Missstände?
Der Kern unseres Tuns: Lust auf Leistung. Managementratgeber sprechen in diesem Fall von Motivation. Und hier kann man viel reden und Konzepte aufs Reißbrett zeichnen. Der Managementberater Dr. Karl Sprenger bringt es in seinem Buch „Mythos Motivation“ herrlich pointiert auf den Punkt, indem er den Wunsch nach Motivationssteigerung zwar nachvollzieht, aber als Irrtum entlarvt. Man könne lediglich demotivieren. Eben weil der Mensch etwas leisten will. Der Dreh- und Angelpunkt der Zufriedenheit ist die Selbstwirksamkeit. Nehmen wir Kinder als Beispiel. Ganz ohne Anleitung lernen sie Sprechen und Laufen. Sie schauen sich das Verhalten anderer an und ahmen es nach. Sie entdecken was Erstrebenswertes und entwickeln entsprechende Fähigkeiten. Sie fallen hin und stehen wieder auf. Sie haben Erfolg und streben nach mehr. Kurz: sie entfalten Selbstwirksamkeit.
Erfolgsfaktor Nummer eins sind Menschen, die Lust auf Leistung entwickeln, und zwar in genau diesem Unternehmen. Das kann aber nur passieren, wenn das Unternehmen eine klare Vorstellung davon entwickelt, was es kann. Und was es nicht kann. Damit ehrlich umzugehen, fällt den meisten schwer, doch genau das ist notwendig. Austauschbare Botschaften auf den Karrierewebseiten und Stellenanzeigen, verschwommene Positionierungen und das Spiel mit den immer gleichen Schlagworten sowie beliebig erscheinende Leitbilder in bleischweren Aktenordnern und auf großen gut gemeinten Plakaten führen zur Verdrossenheit, ähnlich wie wir es stellenweise in der Politik erleben.
Der branchenspezifische Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung sind nicht zu leugnen. Die Mitarbeiterbindung ist ein probates Mittel, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Nicht zuletzt, weil zufriedene Mitarbeitende auch Botschafter im Außenverhältnis sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass zwischen 10 und 30% der Neueinstellungen über Empfehlungen erfolgen. Beim Anwerben neuer Mitarbeiter sowie bei der Bindung bestehender Mitarbeiter sollten alle Arbeitgeber klare Antworten auf die folgenden Fragen geben können:
Warum sollen Menschen (weiterhin) bei uns arbeiten?
Welche Vision helfen sie uns, zu verwirklichen?
Was können wir anbieten, worin sind wir gut?
Was können wir nicht?
Was bewegt unsere bestehenden Mitarbeitenden?
Was behindert ihre Selbstwirksamkeit?
Was fördert sie?
Hand aufs Herz: sehen wir unsere Kolleginnen und Kollegen als ausführende Mitarbeiter? Oder als erfolgsrelevante Mitstreiter?
Und behandeln wir sie entsprechend?